Supply Chain Resilienz: Kernkompetenz des High Performance SCM
Die Störanfälligkeit globaler Lieferketten ist vielen Unternehmen in den letzten Jahren schmerzlich bewusst geworden. Während Anfang des Jahrtausends die Globalisierung von Lieferketten noch eine Top-Priorität von CEOs und Supply Chain Managern darstellte, steht heute das Absichern von Warenströmen im Fokus. Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass es einer widerstandsfähigen Lieferkette bedarf, um die Funktionsfähigkeit des gesamten Geschäftsmodells nicht aufs Spiel zu setzen.
In diesem Artikel klären wir, welche Rolle dabei Supply Chain Resilienz als Kernkompetenz des High Performance SCM einnimmt, zeigen auf, anhand welcher Leitfragen der Entwicklungsgrad der Supply Chain Funktionen bewertet werden kann und geben 10 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Lieferketten-Resilienz.
Wie wird die Supply Chain resilienter?
Supply Chain Resilience ist die Fähigkeit, sich unter veränderten Rahmenbedingungen frühzeitig anzupassen, unter Wandel zu bestehen und flexibel auf Störungen in der Supply Chain zu reagieren. Ziel ist, den reibungslosen Materialfluss zu erhalten oder nach einer Unterbrechung der Lieferketten wiederherzustellen. Exzellente Lieferketten-Resilienz erfordert das Zusammenspiel diverser Hebel: Interner Kompetenzen, Prozesse, ICT-Anwendungen, externer Netzwerke und mehr.
Während einige Hebel schon vor mehreren Jahren ihre Berechtigung hatten, stehen andere im Spannungsfeld einer auf Kostenminimierung fokussierten Best Practices nach der Jahrtausendwende.
Die Hebelauswahl ist stark vom Entwicklungsgrad der Supply Chain-Funktion in einem Unternehmen abhängig. Es ist erfolgskritisch, Hebel prozessual, organisatorisch und technisch entsprechend zu verankern. Um das passende Vorgehen zu wählen, empfiehlt hpo einen Maturitäts-Check Ihrer SCM-Organisation.
Drei Leitfragen sind dabei zu beantworten:
- Prävention: Wie stellen wir uns auf, um die Auswirkungen von Risiken und Störungen auf die Organisation im vornherein zu minimieren?
- Risikoidentifikation und -management: Wie erkennen wir Risiken rechtzeitig, und wie vermindern wir das Ausmass eines Schadens?
- Fähigkeiten zur Wiederherstellung: Wie stellen wir nach unvermeidbaren Störungen Lieferketten schnellstmöglich wieder her?
10 Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Lieferkettenresilienz
Die Steigerung der Lieferketten-Resilienz einer High Performance Organisation ist Teil eines holistischen Risikomanagements. Die folgenden Handlungsempfehlungen orientieren sich an den oben genannten Leitfragen und stellen gemeinsam das Grundgerüst eines ganzheitlichen Robustheits-Managements dar.
Prävention
1. Abhängigkeiten bewusst managen: Fehlende Alternativen für Bezugsquellen bringen Unternehmen in ungewünschte Abhängigkeiten. Sie steigern die Anfälligkeit von Lieferketten und limitieren die Möglichkeiten, die Lieferketten-Funktion schnell wiederherzustellen. Zentrale Produkt- und Materialgruppen sollten daher aus verschiedenen Quellen bezogen werden können. Wo möglich sollten Single Sources vermieden werden. Falls es sich um monopolistische Märkte handelt, sind technologische Substitute zu überprüfen.
2. Lieferantenbeziehungen stärken: Wenn Lieferketten zusammenbrechen, haben die Beziehungen zu Lieferanten einen Einfluss auf die Auswirkungen. Ein partnerschaftliches Verhältnis kann darüber entscheiden, ob eine Firma im Zweifelsfall gegenüber anderen Abnehmern bevorzugt wird. Lieferantenbeziehungen sollten daher strategisch gestärkt werden. Dies geschieht entweder durch vertragliche Vereinbarungen oder durch strategische Kooperationen auf technologischer Ebene.
3. Global regionalisieren: Viele Einkaufsorganisationen setzten besonders seit der Jahrtausendwende auf globale Lieferketten oder „Global Value Sourcing“. Primäres Ziel war die Reduktion der Total Cost of Ownership. Globalisierung ist jedoch kein Selbstzweck, sondern in Anbetracht einer veränderten globalen Risikolandschaft auch mit Kosten verbunden. Zur Absicherung der Lieferfähigkeit kann es sinnvoll sein, auch regionale Lieferanten aufzubauen. Global operierende Unternehmen profitieren von globaler Regionalisierung, also dem Aufbau von Quellen in Nähe ihrer jeweiligen Produktionsstandorte.
4. Produktarchitektur weiterentwickeln: Komplexität ist ein erheblicher Treiber von Unternehmensrisiken. Wenn ein Werk 500 verschiedene Teile in einer Produktion verbaut, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines nicht rechtzeitig und korrekt geliefert wird, wesentlich höher als bei 100 Teilen. Die Entwicklung adäquater Produktarchitekturen ist damit einer der wichtigsten Hebel zur Reduktion von Supply Chain Risiken. Bauteile sollten zudem durch mehrere Lieferquellen beschafft werden. Eine geeignete Produktarchitektur und gegebenenfalls Modularisierung erfordern die umfangreiche Zusammenarbeit mit Entwicklung, Produktion, aber auch Lieferanten. Für solche Kooperationen kann die Beschaffungsorganisation als Treiber und Moderator fungieren.
Risiko-Identifikation und -Management
5. Lieferketten-Transparenz erhöhen: Um auf entstehende Lieferketten-Risiken reagieren zu können, müssen sie transparent gemacht werden. Dies erfordert ein Verständnis der eigenen Lieferketten weit über direkte Lieferanten hinaus, was schon aus Governance-Gesichtspunkten vielfach gefordert wird. Des Weiteren hilft die Visualisierung von globalen Supply Chain Risiken bei deren Identifikation und Management. Moderne digitale Lösungen führen oft zu einem Leistungssprung in der Transparenz.
6. Risiko-Radar implementieren: Risiken sollten ausserdem antizipiert werden, bevor sie Lieferketten beeinflussen können. Für das Aufdecken neuartiger wie auch sich entwickelnder Risiken empfiehlt es sich, Tools wie Risiko-Radare einzuführen und prozessual zu verankern. Selbst ein Vorsprung von wenigen Tagen auf das Eintreten eines Risikoereignisses kann über Zusammenbruch oder Fortbestand der Lieferkette entscheiden.
7. Supply Chain Risiken im Enterprise Risk Management verankern: Die Resilienz von Lieferketten kann nur gesteigert werden, wenn ihr eine unternehmensweite Bedeutung zugemessen wird und sie integraler Bestandteil des übergeordneten ERM-Prozesses ist. Der Umgang mit sich entwickelnden Risiken muss klar und über verschiedene Unternehmensfunktionen konsistent festgelegt werden. Der Einkauf, als Experte für die Quantifizierung schwer greifbarer Aspekte in Total Cost-Vergleichen, kann hier als Vordenker für die quantitative Bewertung von Risiken sämtlicher Business-Funktionen agieren.
Fähigkeiten zur Wiederherstellung der Lieferketten
8. Anpassungsfähigkeit der SCM-Funktion steigern: Operative Logistik- und Einkaufsabteilungen können beim Eintreten unerwünschter Ereignisse bestenfalls «Feuer löschen». Die Anpassungsfähigkeit von SCM-Funktionen kann hingegen gesteigert werden, indem der Umgang mit Lieferkettenstörungen direkt an der strategischen Produktentwicklung ausgerichtet wird. Im hpo Organisationsdesign entspricht dies einem zentralen Prinzip der Gestaltung von High Performance Organisationen: der konsequenten Trennung von strategischen Aktivitäten und dem Tagesgeschäft.
9. Task Forces bereithalten: Viele Unternehmen haben gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Task Forces gemacht. Firmen sollten grundsätzlich überlegen, wie sie beim Eintreten weitreichender Störungen kurzfristig die notwendigen Kräfte mobilisieren können, um Lieferketten wiederherzustellen.
10. Bewusstsein für Interne und externe Kommunikation schaffen: Für die Wiederherstellung von Lieferketten braucht es eine gute Kommunikation zwischen allen Betroffenen und Beteiligten – seien es Produktion, Entwicklung, Lieferanten oder die Geschäftsführung. Schnelligkeit und Wirkungsgrad der Kommunikation sind dabei entscheidend. Es ist daher ein Muss für SCM-Abteilungen, Kommunikationsabläufe und -inhalte stakeholder-gerecht zu definieren und in Hinblick auf ihre Effizienz zu optimieren. Falls nötig, müssen kommunikative Kompetenzen entwickelt werden.
Lieferkettenresilienz nachhaltig in der Organisation verankern
hpo gestaltet High Performance Organisationen und erweckt sie gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden zum Leben. Systematisch identifizieren wir Handlungsfelder und -optionen für einen nachhaltigen Performance-Sprung und begleiten und befähigen Organisationen bis hin zur erfolgreichen Implementation.
Verbesserungen der Prävention und Steigerungen der Resilienz entstehen, sobald das SCM aus einer ganzheitlichen Unternehmensperspektive betrachtet wird. High Performance Organisationen verankern das wertschöpfende Zusammenspiel zwischen strategischem und operativem Einkauf dauerhaft in ihren Prozessen. Die Entwicklung zum High Performance SCM begleiten wir mit unserem ganzheitlichen Ansatz, welcher die kontinuierliche funktionale Lernfähigkeit fördert und Ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig stärkt.
Mit einem kurzen Maturitäts-Check finden wir gemeinsam mit Ihnen anhand der Leitfragen und Handlungsoptionen heraus, wo Ihre SCM-Organisation steht. Kontaktieren Sie uns.